Eine Studie zu den USA

Gesellschaftliche Gruppen gegen progressive Veränderungen

chatgpt_unsplash-us-fahne_in_flammen.png

Bernd Greiner, Historiker aus Hamburg, legt eine neue Monographie vor: "Weißglut. Die inneren Kriege der USA. Eine Geschichte von 1900 bis heute". Darin steht das innergesellschaftliche Agieren gegen progressive Entwicklungen im Zentrum. Auch die Gegenwart wird durch die Perspektive auf die Vergangenheit verständlicher.

Droht ein Bürgerkrieg in den USA? Diese Frage wird nicht nur in dystopischen Hollywood-Filmen gestellt, blickt man auf die politische Entwicklung unter der Präsidentschaft Donald Trumps. Dabei ist aber die Bürgerkriegsmetapher hinsichtlich der Zusammensetzung etwas schief, geht es doch nicht allein um Auseinandersetzungen zwischen gesellschaftlichen Gruppen. Dominant im Agieren ist einerseits die MAGA-Bewegung und eben Trump, schwach demgegenüber eine progressive Protestbewegung mit nur wenigen starken Repräsentanten. Eine ähnliche Konstellation gab es indessen schon häufiger in der US-Geschichte. Darauf macht Bernd Greiner, lange in Hamburg als Historiker lehrend, in seiner neuen Monographie aufmerksam: "Weißglut. Die inneren Kriege der USA. Eine Geschichte von 1900 bis heute". Das Buch will ein Geschichtsbuch sein, aber nicht hinsichtlich der "großen Politik" in einem allgemeinen Sinne. Es geht um die innenpolitischen Auseinandersetzungen zwischen unterschiedlichen Gruppen der dortigen Zivilgesellschaft.

Buchcover

Dabei blickt der Autor insbesondere auf Bestrebungen aus der Gesellschaft, die progressive Entwicklungen und Politiker im eher politisch linken Sinne marginalisieren wollten. Gleichzeitig ging es deren Akteuren darum, eigene Privilegien zu verteidigen. Mitunter kam auch rassistischen Einstellungen eine politische Relevanz zu. "Make America White Again" kann daher als informelles Motto wahrgenommen werden. Entsprechend finden sich bei Greiner viele Ausführungen zu einschlägigen Organisationen: die American Protective League, die American Legion, das Committee on the Present Danger oder die Tea Party-Bewegung. Dabei handelten diese politischen Gruppierungen nicht als bloße gesellschaftliche Organisationen, förderte sie doch eine einschlägige Regierungspolitik, gelegentlich gar mit der brutalen Repression anderer Kräfte. So erklärt sich Greiner auch das Scheitern der Sozialistischen Partei der USA, die Anfang des 20. Jahrhunderts noch von einer gewissen Relevanz war. Gleiches gilt für rebellische Gewerkschaftsstrukturen jener Jahre.

Dabei blickt der Autor auf unterschiedliche Entwicklungsphasen, in denen jeweils unterschiedliche Feindbilder bestanden. Zunächst gehörte dazu die Arbeiterbewegung, danach die Bürgerrechtsbewegung, aber auch die Friedensbewegung, ebenso wie die Occupy-Bewegung. Häufig genug agierten die verantwortlichen Politiker dabei am Rande des Rechts, was eine willfährige Justiz dann auch ohne Skrupel jeweils Wirklichkeit werden ließ. Beispiele auf Beispiele listet Greiners Buch auf, womit es ein negatives Licht auf diesen ersten modernen demokratischen Verfassungsstaat wirft. Er veranschaulicht dabei eine Radikalisierung der Republikaner, welcher die Demokraten nur wenig Engagement entgegen setzten. Auch gewählte Präsidenten konnten von solchen Wirkungen betroffen sein. Ganz am Ende wird etwa auf Kampagnen gegen Barack Obama verwiesen, galt dieser doch aufgrund seiner Forderungen in der Gesundheitspolitik als "Kommunist". Demnach stehen viele gegenwärtige Entwicklungen in einer historischen Kontinuität.

All dies macht Greiner als gelernter Historiker mit seinen Schilderungen anschaulich deutlich. Sein Buch ist eher in einem journalistischen Stil gehalten, was die Lesbarkeit und Problemorientierung verstärkt. Mitunter arbeitet der Autor aber auch mit Begriffen, die in der Politikwissenschaft etwas anders verstanden werden, etwa "Extremismus". Er führt bei der Darstellung mitunter bestimmte Fakten nicht näher aus, wenngleich er einschlägige Sachverhalte zum Thema macht. So gab es etwa 1919 mehrere Bombenanschläge von linken Terroristen, gleichwohl legitimierten diese Ereignisse keine politischen Verfolgungen. Hier wie in anderen Fällen hätte Greiner noch differenzierter argumentieren können. Gleichwohl werten derartige detaillierte Einwände die beachtenswerte Monographie nicht ab, sie macht mit vielen historischen Aspekten auf die gegenwärtigen Probleme aufmerksam. Interessant wären allenfalls noch genauere Ausführungen darüber gewesen, woher die jeweiligen finanziellen Mittel kamen. Auch hier gilt "Follow the Money" als wichtiges Motto.

Bernd Greiner, Weißglut. Die inneren Kriege der USA. Eine Geschichte von 1900 bis heute, München 2025, C. H. Beck-Verlag, 464 Seiten, 32 Euro, ISBN 978-3-406-83628-2

Unterstützen Sie uns bei Steady!